Manchmal hat man das Gefühl, wir leben im Endspiel.
Die Bürokratie erstickt jede unternehmerische und persönliche Initiative.
Die Steuern gehören zu den höchsten weltweit.
Die Politik entfernt sich immer weiter von den Bedürfnissen und Wünschen der Wähler.
Das Geldsystem wankt. Die Rentenkassen – geplündert und zweckentfremdet.
Die Beziehungen, die für eine Exportnation stets freundschaftlich sein sollten (vgl. Forderung von Otto von Bismarck2), sind zu den BRICS+-Staaten zerrüttet (nach Umfragen ist Deutschland für die Russen das meistgehasste Land der Welt)
Souveränität? Fehlanzeige. Gefühlt der Dackel an der Leine.

Wer das so sieht – und es gibt genügend Gründe, es so zu empfinden –, mag zu dem Schluss kommen: Wir leben in den schlimmsten aller Zeiten. Endgame. – Over and out.

Die andere Sicht

Und dann ist da diese völlig andere Perspektive.
Noch nie in der Menschheitsgeschichte konnten wir so leicht an Informationen gelangen. Ich erinnere mich noch an die 1980er Jahre: Literaturrecherche an der Uni Nürnberg oder München bedeutete, sich durch Karteikästen und Fiches zu arbeiten – für die Generation Z: das waren keine „Fische“, sondern Mikrofilme. Jeder Rechercheerfolg war mühsam erkämpft, Googeln war dortmals noch nicht einmal ein Fremdwort.

Wer damals etwas wissen wollte, musste in Bibliotheken wühlen, Buchhandlungen aufsuchen, sich beraten lassen. Mit Akribie konnte man Erkenntnisse sammeln – aber nur ein Bruchteil dessen, was heute in wenigen Minuten möglich ist.

Heute kann ich, vorausgesetzt ich sitze nicht passiv vor dem Fernseher und konsumiere Verblödungsfernsehen, in kürzester Zeit Wissen aus der ganzen Welt anzapfen. Alles, was ich wissen will, steht mir offen. Voraussetzung: Ich nehme die Bildung selbst in die Hand.

Ausbildung ist eine Bringschuld – wahre Bildung eine Holschuld

Eine Berufsausbildung, um im Arbeitsleben zu funktionieren, wird heute oft geschenkt. Echte Bildung dagegen ist eine Holschuld mit Opportunitätskosten: dem Verzicht Ablenkung zum Verblöden.
Sie verlangt Neugier, Eigeninitiative und die Bereitschaft, Fragen zu stellen, die über den Alltag hinausgehen. Und sie schenkt uns etwas, das unbezahlbar ist: Freude am Entdecken und die tiefe Bereicherung, sich die Welt zu erschließen.

Wer heute sagt, er wisse zu seinem eigenen Leben dies oder jenes nicht, hat die Chancen unserer Zeit nicht erkannt.

Perfekte Zeiten – trotz allem

Für mich sind diese Zeiten in vieler Hinsicht perfekt – zugegeben, eine subjektive Sicht. Ja, es gibt die anderen – die wildgewordenen, geschichtsvergessenen Akteure, die mit viel Erfolg versuchen, unsere Wirtschaft zu ruinieren. Aber wie oft hat Mitteleuropa das schon erlebt?

Nach dem Bauernkrieg von 1525 – eigentlich ein Freiheitskrieg, der blutig niedergeschlagen wurde – veränderte sich die Rechtsordnung tiefgreifend. Die Niederlage festigte die feudal-klerikale Ordnung, zentralisierte Macht und brach den Widerstand einer selbstbewusster werdenden Landbevölkerung. Das Naturrecht – verstanden als übergeordnete, „ewige“ Prinzipien von Gerechtigkeit und Moral, die unabhängig von staatlicher Setzung bestehen sollten – verlor an Bedeutung. An seine Stelle trat das positive Recht = geltendes, gesetztes Recht, nun stark geprägt vom Römischen Recht, das in systematischer Form die Interessen von Kirche und Adel absicherte. Damit verschwanden auch die zahlreichen Allmenden, die zuvor gemeinschaftlich genutzt wurden – zugunsten einer Rechtsordnung, die Macht und Eigentum in den Händen weniger fixierte.

Nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) – ein nie aufgearbeitetes Trauma. Die konfessionell aufgeladene Machtpolitik der europäischen Großmächte verwüstete Land und Städte, entvölkerte ganze Regionen und schwächte dauerhaft die Eigenständigkeit des Heiligen Römischen Reiches.

Nach dem Siebenjährigen Krieg (1756–1763) – faktisch der erste Weltkrieg, der auf mehreren Kontinenten ausgetragen wurde. Im Kern ging es um die globale Vorherrschaft zwischen Großbritannien und Frankreich – und damit auch um die Weichenstellung für die künftige Weltordnung.

Nach dem „Zweiten Dreißigjährigen Krieg“ (1914–1945) – meine Sichtweise auf die beiden Weltkriege als einen zusammenhängenden, drei Jahrzehnte währenden Kampf um die weltweite Vormachtstellung. Ausgangspunkt war das britische Empire auf dem Höhepunkt seiner Macht, Endpunkt die Ablösung dieser Position durch die Vereinigten Staaten. Ein zentrales strategisches Ziel der anglo-amerikanischen Politik war es, Deutschland dauerhaft von Russland zu trennen3) und jede kontinentale Allianz zu verhindern, die ihre Dominanz hätte gefährden können. Europa selbst blieb als Kriegsschauplatz erschöpft, geteilt und politisch entmachtet zurück.

Wir sind trotz alldem nicht untergegangen, was erstaunlich genug ist und auf mich manchmal, wie ein Wunder wirkt. Wir werden auch jetzt nicht untergehen. Selbst, wenn die nachfolgenden Generationen gefühlt bisweilen „komplett neben der Kappe“ ticken.

Ein mögliches Fazit: Wir leben gleichzeitig in einer Zeit größter Gefahren und größter Chancen. Wer nur auf die Gefahren schaut, sieht den Abgrund.
Wer nur auf die Chancen schaut, sieht die Gipfel.
Die Kunst ist, beides zu sehen – und trotzdem zu steigen.
Und wenn Sie meinen, das sei die Apokalypse – na und?
Dann leben wir eben in Zeiten der Offenbarung (griech. „apokalypsis“ für „Enthüllung“ oder „Offenbarung„). Alles zeigt sich, wird also offenbart. Was soll daran schlimm sein?

Autor: Norbert W. Schätzlein, E-Mail: schaetzlein@siris-systeme.de

Bildquelle: Eigene Darstellung, KI-generiert mit DALL·E (OpenAI)

Erläuterungen:

1) Gone Troppo ist australische Umgangssprache und bedeutet sinngemäß „verrückt geworden“. Der Ausdruck leitet sich von „tropical“ (tropisch) ab und spielt darauf an, dass man in der Hitze „einen Knacks bekommt“ – meist humorvoll gemeint im Sinne von wunderlich, leicht abgedreht oder unkonventionell.

Bekannt wurde der Begriff auch als Titel von George Harrisons Album „Gone Troppo(1982), das als sein kommerziell erfolglosestes Werk gilt. Gleichwohl enthält es bemerkenswerte Stücke, u. a. auch die Filmmusik zum Abspann von „Time Bandits(1981). Kurz gesagt: „Gone Troppo“ verbindet australischen Slang mit einem kulturellen Fußabdruck in der Popmusik und im Film – zwischen „leicht verrückt“ und „ungewöhnlich entspannt“.

2) Otto von Bismarck warnte eindringlich davor, die Beziehungen zu Russland aufs Spiel zu setzen. Ihm wird u. a. zugeschrieben: „Die geheime Weisheit der Politik ist: mit Russland niemals brechen.“ Ebenso betonte er: „Mit Russland darf man keinen Krieg anfangen.“ Diese Haltung prägte auch den von ihm initiierten Rückversicherungsvertrag von 1887, der ein stabiles deutsch-russisches Verhältnis sichern sollte.

3) US-Strategie George Friedman STRATFOR @ Chicago Council on Global Affairs: https://www.youtube.com/watch?v=vln_ApfoFgw&t=152s

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