Auf Akquiseterminen ist oft unklar, wes Geistes Kind der jeweilige Entscheider ist – ein Balanceakt zwischen relevanter Vorstellung und der Gefahr, unbewusst in ein unsichtbares Fettnäpfchen von Wert- oder Weltanschauungen zu treten.

Unvergesslich blieb mir ein Termin – schon Jahre zurück –, bei dem es sich um den CEO eines börsennotierten Unternehmens handelte. In Erinnerung geblieben ist mir nur eine Randnotiz: ein Nebensatz, wonach in seinem Unternehmen Spiritualität nichts verloren habe.

Wie waren wir überhaupt darauf gekommen? Es ging um Werte, Unternehmenskultur als Alleinstellungsmerkmal und vieles mehr. Die Nähe zur Spiritualität war letztlich seine eigene geistige Transferleistung – vielleicht auch ein persönliches Thema, das er nie aufgearbeitet hatte.

Er sprach über Politik, was nicht meinen Geschmack traf, gab sich den Nimbus eines guten Christen, wollte aber Spiritualität ausblenden. Schon damals wirkte das inkonsistent. Heute würde ich vielleicht nach solch widersprüchlicher Rede aufstehen, ihm einen schönen Tag wünschen, mich bedanken und hinzufügen, dass ich nicht länger seine kostbare Zeit in Anspruch nehmen möchte – im Wissen, dass wir nie zusammenfinden werden.

Es gibt einfach Menschen, die nicht begreifen, worauf es im Kern ankommt und zu den Begrifflichkeiten, mit denen sie um sich werfen, keine exakte Definition hinterlegt haben. Befremdlich wirkt es umso mehr, wenn jemand seinen Doktortitel wie eine Monstranz vor sich herträgt.

Was er unter Spiritualität verstand, erschloss sich mir nicht – und war mir auch keine Nachfrage wert. Innerlich war das Gespräch längst beendet; ich suchte nur noch nach dem Exit. Für seinen Exit aus dem Unternehmen sorgten kurze Zeit später die Kapitalgeber.

Und so bleibt die Frage offen: Ist Spiritualität im Unternehmenskontext ein Reizwort, das Abwehr auslöst – oder könnte sie nicht gerade die Lösung sein, wenn es um eine stimmige und glaubwürdige Wertebasis geht?

Was aber ist Spiritualität im eigentlichen Sinne?

Spiritualität (von spiritus = Geist, Atem) bezeichnet die bewusste Ausrichtung des Lebens auf eine höhere Wirklichkeit – sei es Gott, Transzendenz (das, was über uns selbst, das Sichtbare und Materielle hinausgeht) oder inneres Glück. Sie ist der Weg des geistigen Übens mit dem Ziel, sich mit diesem höheren Sinn zu verbinden und daraus Orientierung für Denken, Fühlen und Handeln zu gewinnen.

Spiritualität ist religionsübergreifend und kann auch ohne konkrete Religionszugehörigkeit praktiziert werden. Sie bedeutet Suche nach Sinn, Hinwendung zum Wesentlichen und die unmittelbare Erfahrung einer nicht sinnlich greifbaren, der materiellen Welt zugrunde liegenden Wirklichkeit.

Der Theologe Paul Tillich (1886-1965) definierte Spiritualität als das, „was den Menschen im Innersten und im Letzten angeht“ – als existenzielle Praxis im Ernstfall des Lebens, in jener subtilsten Zone, in der Sinn und Wahrheit zur persönlichen Erfahrung werden.

Weisheitstraditionen als Wurzeln

Bereits in der altpersischen, zoroastrischen Lehre Zarathustras (Zoroaster) findet sich ein elementarer ethischer Dreiklang:

  • Humata = gute Gedanken
  • Hukhta = gute Worte
  • Hvarshta = gute Taten

Diese Trias – „gute Gedanken, gute Worte, gute Taten“ – gilt bis heute als einer der ältesten spirituellen Leitfäden menschlichen Handelns. Sie verbindet innere Haltung mit äußerem Verhalten und macht deutlich: Spiritualität ist niemals nur eine private Stimmung, sondern hat unmittelbare Wirkung auf das Leben in Gemeinschaft.

Eine weitere Orientierung geben die sieben hermetischen Prinzipien nach Hermes Trismegistos. Sie beschreiben Grundgesetze des Lebens, die helfen, Spiritualität ins konkrete Handeln zu übersetzen:

  1. Schöpfung – Geist und Gedanken sind Ursprung jeder Veränderung.
  2. Resonanz – Veränderung im Inneren bewirkt Veränderung im Außen.
  3. Schwingung – Alles ist in Bewegung; die eigene Frequenz prägt das Erleben.
  4. Polarität – Gegensätze gehören zusammen und sind zwei Seiten derselben Wirklichkeit.
  5. Rhythmus – Alles folgt Zyklen und wiederkehrenden Bewegungen.
  6. Ursache und Wirkung – Jede Handlung hat Folgen, nichts geschieht grundlos.
  7. Geschlecht – Männliches und Weibliches wirken in allem zusammen und ermöglichen schöpferische Kraft.

Auch die christliche Tradition bereichert das Verständnis von Spiritualität. Ihre Grundwerte geben Orientierung und Halt:

  • Liebe (Caritas, Agape): gelebte Nächstenliebe und Gottesliebe.
  • Glaube: Vertrauen in das Unsichtbare, in eine größere Wirklichkeit.
  • Hoffnung: Ausrichtung auf eine Zukunft, die Sinn und Halt gibt.
  • Demut: Anerkennung, Teil eines größeren Ganzen zu sein.
  • Vergebung und Versöhnung: Bereitschaft zum Neuanfang und zur Heilung.
  • Gerechtigkeit: Verantwortung und Fairness im Umgang mit anderen.
  • Barmherzigkeit: Mitgefühl, das sich in Taten zeigt.

Spiritualität als universale Haltung

Versteht man diese verschiedenen Strömungen zusammen, wird deutlich: Spiritualität ist eine universale Haltung. Sie verbindet

  • die innere Ausrichtung (Gedanken, Worte, Taten),
  • die universellen Lebensgesetze (Hermetik),
  • die christlichen Tugenden
  • und die Suche nach Transzendenz.

Spiritualität ist damit nicht bloß eine abstrakte Idee, sondern ein praktisches Lebensmodell. Sie bündelt Weisheitstraditionen, gibt Orientierung und befähigt den Menschen, sein Leben bewusster, stimmiger und schöpferischer zu gestalten.

Spiritualität kontra Sozialismus

Spiritualität ist kein „Wohlfühl-Accessoire“, sondern berührt Grundfragen von Freiheit, Verantwortung und Würde. Und hier zeigt sich auch eine deutliche Gegenüberstellung: Spiritualität und Sozialismus stehen in einem Spannungsverhältnis.

Der russische Mathematiker und Denker Igor R. Schafarewitsch beschreibt in seinem überaus wichtigen Werk Der Todestrieb in der Geschichte. Erscheinungsformen des Sozialismus (Grevenbroich: Lichtschlag Verlag, 2016), dass der Sozialismus in allen Epochen dieselben Feindbilder verfolgt – und gerade jene Strukturen attackiert, die Spiritualität nähren:

  1. Individualismus – das freie, eigenverantwortliche Denken und Handeln wird als egoistisch abgewertet.
  2. Eigentum – Grundlage für Selbstbestimmung und Unabhängigkeit; im Sozialismus Ziel von Enteignung und Staatskontrolle.
  3. Familie – natürlicher Ort der Geborgenheit; vom Sozialismus als Konkurrenz zum Staat bekämpft und durch Institutionen ersetzt.
  4. Religion – Trägerin von Sinn, Kultur und innerem Halt; sozialistische Systeme begegnen ihr bilderstürmerisch oder vereinnahmen sie ideologisch.
  5. Nationale Identität – durch Kunst und Kultur gestiftet; im Sozialismus als Hindernis internationaler Gleichmacherei bekämpft.

Diese fünf Konstanten machen deutlich: Wo der Sozialismus auftritt, versucht er jene Quellen der Sinnstiftung zu zerstören, auf denen Spiritualität beruht. Statt freier Entfaltung, innerem Wachstum und schöpferischer Kraft tritt Kontrolle, Umverteilung und geistige Verarmung.

Ergo: Spiritualität ist weder Relikt vergangener Zeiten noch esoterischer Randaspekt. Sie ist eine Kraftquelle, die Menschen und Gemeinschaften stärkt, Sinn und Halt gibt – und damit eine tragende Grundlage für jede Unternehmenskultur, die diesen Namen verdient.

Wer Spiritualität ausblendet, verliert Tiefe, Sinn und Menschlichkeit. Wer sie bewusst integriert, öffnet Türen zu Inspiration, Kreativität und echter Erneuerung. Das wirkt sich im Unternehmen gleich mehrfach aus:
a) auf die Kultur und das innere Klima,
b) auf das äußere Image,
c) auf die Mitarbeiterbindung (Retention Management),
d) und letztlich auf die nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit.

Autor: Norbert W. Schätzlein, E-Mail: schaetzlein@siris-systeme.de

Titelbild: Eigene Visualisierung (KI-generiert)

PS: … und natürlich gehört zum Thema Spiritualität auch die Optik des Firmengebäudes. Es sollte individuell wirken – über Form, Proportion und idealerweise den goldenen Schnitt. Seid phantasievoll! Nur bitte nicht so gesichtslos und seelenlos, wie die Bauten, die in meiner Region derzeit entstehen. Wer beauftragt eigentlich solche „Architekten“, die nichts anderes als optische Umweltverschmutzung betreiben? Und niemand sagt etwas. Wenn doch einer den Mut hat, Kritik zu äußern, kommt reflexhaft die dümmliche Verteidigungsrede: „Das ist halt heute modern.“ – Pfeif drauf, was angeblich „modern“ sein soll, wenn es ohne Hirn und Verstand entsteht.

Die Römer waren da radikaler: Architekten und Konstrukteure von Brücken mussten eine Zeit lang mit ihrer Familie unter dem Bauwerk schlafen – so stellte man sicher, dass die Gebilde nicht einstürzten. Wer setzt schon leichtfertig das Leben seiner Familie aufs Spiel? Vielleicht wäre es auch heute heilsam, wenn Architekten drei Monate lang in dem wohnen müssten, was sie entwerfen – und sei es nur zum Trockenwohnen. Am Ende kämen sie womöglich doch noch zu anderen Gedanken.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat: Unterstützen Sie unsere Arbeit und Recherchen.

Zahlungsmethode auswählen
Persönliche Informationen

Überweisung
Gib in der Verwendungszeile bitte an, dass die Spende für „Zeitfenster“ ausgestellt ist.

Bank: VR Bank Donau-Oberschwaben eG
Empfänger: SIRIS® Systeme GmbH & Co. KG, Zeitfenster.com
IBAN: DE77 6509 3020 0617 1570 06
BIC: GENODES1SLG

Alle Zuwendungen werden dankbar entgegengenommen und sind steuerlich abzugsfähig.

Spendensumme: 10.00€