
Über gesunden Pragmatismus, Menschenkenntnis und den Mut zum Nein
Es gibt Wissen, das man nur durch Lebenserfahrung erwirbt – nicht durch Lehrpläne. Mark McCormacks Buch erinnert daran, dass wahre Führung weniger mit Theorie als mit Wahrnehmung, Haltung und Charakter zu tun hat.
Manche Bücher altern nicht. Sie werden mit jedem Jahr wahrer – weil sie nicht von Theorien handeln, sondern vom Leben. Mark McCormacks „Was Sie an der Harvard Business School nicht lernen“ gehört dazu. Der Gründer der International Management Group (IMG) war kein Denker im Elfenbeinturm, sondern ein Mann des Geschäfts – und des Gespürs. Seine Lektionen stammen nicht aus Seminarräumen, sondern aus Besprechungen, Telefonaten, Begegnungen. Kurz: aus der Praxis.
McCormack erkannte früh, dass Erfolg weniger vom Intellekt als von angewandter Menschenkenntnis abhängt. Gesunder Pragmatismus – so nennt er das Talent, Situationen realistisch einzuschätzen und mit feinem Gespür zu handeln. Wer Menschen versteht, sieht die Zukunft klarer. Denn Charakter, so McCormack, sei „völlig konsistent“ – er wechsle nicht wie ein Chamäleon die Farbe. Entscheidend sei, richtig zu lesen, was zwischen den Zeilen steht: Augen, Übergangsmomente, das, was jemand sagt, wenn er glaubt, es sei unwichtig.
Seine Kunst nannte er „aggressives Beobachten“. Gemeint ist kein Misstrauen, sondern geschärfte Wahrnehmung. Wer zu viel redet, verpasst die Signale. Wer richtig zuhört, führt. Das gilt am Verhandlungstisch ebenso wie im Telefonat – wo er empfahl, erst zu atmen, dann zu sprechen. Diese kleine Pause, bevor der Hörer abgenommen wird, sei oft der Unterschied zwischen Routine und Wirkung.
Besonders entlarvend liest sich sein Kapitel über Meetings: Produktivität, schreibt McCormack, sei umgekehrt proportional zur Zahl der Teilnehmer. Jedes überflüssige Treffen sei eine Einladung zur Zeitverschwendung – und jede unklare Entscheidung ein schleichender Verlust an Energie. Seine Gegenmedizin: klare Worte, entschlossene Führung, und das Talent, Nein zu sagen – freundlich, aber endgültig.
Am Ende seines Buches beschreibt McCormack Unternehmertum als emotionales Engagement. Wer gründet, sagt er, täte es trotz aller Risiken, weil das „Nichtversuchen“ der größere Schmerz wäre. Es gibt Momente, da hält allein die Leidenschaft das Unternehmen am Leben – nicht der Businessplan.
Vielleicht ist das die Essenz, die man an keiner Hochschule lernt:
Dass kluge Entscheidungen selten aus Daten entstehen, sondern aus Intuition, Charakter und der Bereitschaft, Verantwortung zu tragen.
Fazit für Führung und Nachfolge
McCormacks Buch ist Pflichtlektüre in unseren Traineeprogrammen.
Denn seine Beobachtungen sind zeitlos und von einer Klarheit, die man in der heutigen Business-Literatur selten findet. Die Teilnehmer erleben, wie weitreichend die Erfahrungen dieses Urgesteins des internationalen Geschäfts wirklich sind – und was sie für die eigene Führungspraxis bedeuten: Entscheidungen treffen, Menschen lesen, Gespräche lenken, Prioritäten setzen.
All das, was man an der Harvard Business School eben nicht lernt – aber täglich braucht.
Autor: Norbert W. Schätzlein, E-Mail: schaetzlein@siris-systeme.de
Bildquelle: KI-generiertes Symbolbild, erstellt nach Ideen des Autors mit Unterstützung von ChatGPT (GPT-5), 2025
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