
Aus aktuellem Anlass:
Derzeit begleite ich eine Unternehmerfamilie bei der Entwicklung ihrer Familienverfassung. Parallel entsteht eine angepasste Version – eine sogenannte Businessfassung – für den Fremdgeschäftsführer und das Führungsteam. Sie gibt dem Geschäftsführer klare Leitplanken – für den Blick aufs große Ganze ebenso wie für die Verantwortung im Tagesgeschäft.
Bei dieser Arbeit kam mir ein Buch in den Sinn, das mich vor Jahren tief beeindruckt hat:
Frederic Morton – Die Rothschilds: Porträt einer Dynastie.
Darin findet sich eine Passage, die bis heute nachwirkt – weil sie so einfach wie wahr ist:
„Die Familie vergaß über all den Bällen und Soireen nicht, einer grundlegenden Triebkraft ihres Erwerbsstrebens treu zu bleiben. Bismarck hatte sie als ‚den absurden Wunsch‘ bezeichnet, ‚jedem ihrer – oft zahlreichen – Kinder ebensoviel zu hinterlassen, wie sie selbst ererbt hatten‘.“
Was Reichskanzler Otto von Bismarck hier spöttisch kommentierte, war in Wahrheit eine machtvolle Vision intergenerationeller Gerechtigkeit. Noch kraftvoller wird sie im Testament des Stammvaters Anselm Rothschild:
„Ich ermahne meine sämtlichen lieben Kinder, stets in größter Eintracht zu leben, die Familienbande nicht lockern zu lassen, alle Streitigkeiten […] zu meiden, gegenseitig Nachsicht und Milde zu üben […]. Diese Bethätigungen […] sind die sicheren Bedingungen des Glücks und der Blüthe der ganzen von Rothschildschen Familie […] gewesen.“
Hundertfünfzig Jahre später haben viele Unternehmerfamilien mit genau diesem Thema zu kämpfen: Einheit, Zusammenhalt, Klarheit über Rollen und Werte – oder mit einem Wort: Orientierung.
Familienstrategie ist keine Gefühlsfrage – sondern Strukturarbeit
Die sogenannte Familienstrategie ist mehr als ein Idealbild von Harmonie. Sie ist eine pragmatische Antwort auf die zentrifugalen Kräfte in Unternehmerfamilien: Entfremdung, Zielkonflikte, Rollenkonfusion, Patchworkrealitäten.
Das Herzstück dieser Strategie ist die Familiencharta – kein Vertrag im juristischen Sinn, sondern ein dokumentiertes Selbstverständnis, ein Regelwerk der Loyalität:
Was verbindet uns? Wo wollen wir hin? Wer übernimmt welche Rolle?
Und vor allem: Wie verhindern wir, dass aus einem Familienunternehmen ein Unternehmen ohne Familie wird?
Warum das auch den Fremdgeschäftsführer betrifft
Viele Unternehmerfamilien stehen vor der Frage: Wie viel Familie verträgt das Unternehmen? Und umgekehrt: Wie viel Unternehmertum verträgt die Familie?
Die Antwort liegt nicht im Bauchgefühl, sondern in der systematischen Klärung der Verhältnisse:
Eine abgespeckte Businessfassung der Familiencharta – mit klaren Spielregeln, Rollenbildern und Zuständigkeiten – schafft Orientierung auch für die Führungsebene außerhalb der Familie. Sie ersetzt das stillschweigende „So war’s halt immer“ durch nachvollziehbare Prinzipien.
Vom Gründergeist zur Governance
Was Anselm Rothschild, Gründer der vielleicht bis heute einflussreichsten Dynastie, mit sicherer Hand formulierte, entspricht im Kern dem, was wir heute als Family Governance bezeichnen.
Ein System aus Regeln, Ritualen, Gremien und Grundhaltungen, das nicht Harmonie garantiert, aber Handlungsfähigkeit über Generationen hinweg sichert.
Familienstrategie antizipiert die Zukunft in ihrer Ungewissheit – und formuliert Spielregeln, die Orientierung geben, absichern und über Generationen hinweg tragen können.
Als Strategieberater ist es meine Aufgabe, diesen Prozess in strukturierte Bahnen zu lenken – mit analytischer Tiefe, moderierten Workshops und einem klaren Blick für die besonderen Dynamiken familiengeführter Unternehmen.
Hinweis für Unternehmer/innen:
Wenn Sie Ihre Familienstrategie schärfen oder eine Familiencharta entwickeln möchten, sprechen Sie mich möglichst frühzeitig gerne an.
Die interne Unternehmensnachfolge mit System ist meine Leidenschaft – besonders dann, wenn Kinder, Angehörige oder langjährige Mitarbeitende als potenzielle Verantwortungsträger im Raum stehen.
Der Anfang eines gelungenen Übergabeprozesses beginnt oft mit zwei einfachen, aber entscheidenden Fragen: Wer ist geeignet – und was soll bleiben, wenn ich gehe?
Autor: Norbert W. Schätzlein, E-Mail: schaetzlein@siris-systeme.de

Bildquelle: Idee und Konzept: Norbert W. Schätzlein (Autor) Visualisierung mit Unterstützung von KI (OpenAI / DALL·E)
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