Kleine Handwerksbetriebe stehen oft vor der großen Herausforderung, geeignete Nachfolger zu finden. Die Situation kompliziert sich, wenn Familienmitglieder eigene berufliche Wege einschlagen und somit die Suche auf potenzielle Mitarbeiter, MBI-Kandidaten (Management-Buy-In) und strategische Investoren aus der Branche ausgeweitet werden muss. Dabei werden Finanzinvestoren und Family Offices in der Regel nicht als potenzielle Nachfolger in Betracht gezogen.
In einem exemplarischen Fall eines Handwerksunternehmens mit einem Jahresumsatz im unteren einstelligen Millionenbereich offenbarten sich die Herausforderungen und Möglichkeiten dieses Prozesses besonders deutlich. Trotz vielversprechender Gespräche mit jungen MBI-Kandidaten scheiterte eine Übernahme häufig an finanziellen Hürden, selbst unter Einbeziehung von Verkäuferdarlehen, und der Fokus lag daher auf anderen Handwerksunternehmen aus ähnlichen Branchen.
Die Wende brachte die Entdeckung eines idealen Käufers, mit dem eine Einigung nahezu erreicht wurde. Doch was dieses kleine Unternehmen von seinen Mitbewerbern unterschied, war eine spezielle Produktgruppe, die dank einer disruptiven Technologie (Neuerung, die herkömmliche Produkte weit überholt, indem sie klar überlegene Vorteile bietet) bereits erste Markterfolge erzielte. Dies veranlasste den potenziellen Käufer zu eigenen Marktrecherchen – ein Vorgang, der sich als besonders herausfordernd erwies, da disruptiven Technologien oft das Problem innewohnt, dass sie sich schwer in vorhandene Marktschemata einordnen lassen und das Zielpublikum sich die Innovation anfänglich kaum in ihren Vorteilen vorstellen kann.
Diese Situation erinnert an die Skepsis, die Steve Jobs entgegenschlug, als er das erste iPhone präsentierte – eine Skepsis, die sich als unbegründet erwies. Ähnlich stellten die indifferenten Antworten potenzieller Kunden für den Käufer ein Zeichen mangelnden Potenzials dar, was zum Abbruch der Verhandlungen führte.
Doch wie so oft im Leben, kam die Lösung von einer unerwarteten Seite: Ein Kind des Verkäufers erkannte während der Besprechungen das Potenzial der Produktgruppe und entschied sich, seine berufliche Laufbahn zu beenden und ins Familienunternehmen einzusteigen. Diese Entscheidung markierte den Beginn eines unerwarteten, aber höchst erfolgreichen Kapitels in der Geschichte des Unternehmens.
Monate nach der erfolgreichen Übergabe innerhalb der Familie zeigt sich, dass die Strategie, den Fokus auf die Herstellung und Vermarktung dieser Produktgruppe zu legen, ein voller Erfolg war. Das Unternehmen erschließt sich zusehends neue Marktanteile und beweist, dass auch in traditionellen Branchen durch Innovation und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen, erhebliches Wachstumspotenzial steckt.
Die unerwartete Wendung zu einem Erfolg – Dieser Fall zeigt eindrucksvoll, dass trotz aller Skepsis und Herausforderungen im Nachfolgeprozess die hartnäckige Überzeugung vom eigenen Geschäftsmodell entscheidend sein kann. Die Geschichte lehrt, dass gerade bei kleinen Unternehmen das Herausarbeiten von Alleinstellungsmerkmalen essenziell ist, um die nächste Generation zu inspirieren, ein Erbe anzutreten, dessen Wert und Potenzial erst erschlossen werden muss. Der Schlüssel zum Erfolg liegt oft in der Entschlossenheit und dem Glauben an die eigene Sache, selbst wenn der Weg ungewiss erscheint.
Autor: Norbert W. Schätzlein, schaetzlein@antaris.biz
Bildquelle: Norbert W. Schätzlein in Verb. mit DALL·E, OpenAI
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